Einfache Sprache: Was ist Plain Language?

Wozu ist einfache Sprache gut? Und wie funktioniert «Plain Language»? Das habe ich am Content Production Day in Bern erzählt. Viele haben sich eine Zusammenfassung davon gewünscht. Die wichtigsten Punkte sind hier nachzulesen.

Jrene Rolli
5 min readMar 11, 2020

Der Artikel gibt Antworten auf die folgenden Fragen:

  1. Wieso einfache Sprache verwenden?
  2. Was beachten, wenn ich schreibe?
  3. Wie werden Texte noch einfacher verständlich?
  4. Wirkt einfache Sprache dumm?
  5. Welche Tools helfen?
  6. Wie verwende ich einfache Sprache im Alltag?
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1. Wieso einfache Sprache verwenden?

Einfache Sprache lässt Menschen sich und die komplexe Welt besser verstehen. Und dies unabhängig von Herkunft, Bildung oder Alter.

Der Anteil Schulkinder mit Leseschwäche stieg in den letzten Jahren auf 24 Prozent. Konkret bedeutet das: In einer Schweizer Schulklasse mit zwanzig Kindern scheitern rund fünf Schülerinnen und Schüler daran, geschriebene Texte zu verstehen. Dies hindert sie an einer effektiven Teilnahme im Alltag. Auch später im Erwachsenenalter.

Sich mit anderen Menschen auszutauschen ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen. Wenn wir andere verstehen und sie uns ebenso, fühlen wir uns zugehörig. Das macht uns zufrieden. Niemand will sich allein und ausgeschlossen fühlen.

2. Was beachten, wenn ich schreibe?

Egal ob eine E-Mail, ein Artikel oder ein Brief: Diese grundlegenden Punkte machen Texte einfacher verständlich.

  • kurze Sätze und Abschnitte
    Nur schreiben, was für die Zielgruppe wirklich wichtig ist.
  • eine Botschaft pro Satz und Abschnitt
    Mehrere Botschaften brauchen einzelne Sätze und Abschnitte.
    Das Ende eines Satzes oder Abschnittes gibt Zeit, um die Botschaft zu verstehen.
  • logische Struktur des Textes
    Was in einer Abfolge zuerst kommt, auch zuerst erwähnen.

Beispiel:
Die Versandgebühren werden angezeigt, sobald Sie Ihre Adresse beim Check-out hinterlegt haben.
Besser:
Versandgebühren: Gehen Sie zum Check-out und erfassen Sie Ihre Adresse. Anschliessend wird der Betrag angezeigt.

  • aktiv formulieren mit treffenden Verben
    Beschreibe Handlungen mit Verben statt Nomen.
    Verwende treffende Verben, mit denen sich Leserinnen und Leser genau vorstellen können, wie die Handlung aussieht. «Machen», «haben» und «sein» sind oft wenig bildhaft und treffend.

Beispiel:
Für den Aufbau der Möbel hat er Handschuhe.
Besser:
Er trägt Handschuhe, wenn er die Möbel aufbaut.

  • das gleiche Wort verwenden

Beispiel:
Er trug schwarze Stiefel. Die grossen Botten waren schwer. Trotzdem schlurfte er mit den Schuhen durch die ganze Stadt.
Besser:
Er trug schwarze Stiefel. Sie waren gross und schwer. Trotzdem schlurfte er mit seinen Stiefeln durch die ganze Stadt.

  • Fremdwörter, Redewendungen und Abkürzungen vermeiden
    Wem ein Wort unbekannt ist, versteht die Aussage falsch oder gar nicht.
  • auf Möglichkeitsform verzichten
    Oft stehen Verben unnötig in der Möglichkeitsform (Konjunktiv). Sie machen Texte jedoch schwieriger verständlich.

Beispiel:
Könntest du mir noch die E-Mail schicken?*
Besser:
Schickst du mir (bitte) noch die E-Mail?

(*Wenn die Antwort darauf «Ja» lautet, bedeutet das ganz genau genommen nicht, dass die E-Mail auch geschickt wird. Sondern: Ja, ich könnte dir noch die E-Mail schicken. Möchtest du aber auch, dass ich sie dir schicke oder fragst du nur, ob ich könnte, wenn du sie plötzlich brauchst? Die erste Formulierung sorgt — wenn wir es ganz genau nehmen — für mehr Fragen, als sie Klarheit schafft.)

3. Wie werden Texte noch einfacher verständlich?

Wer über etwas sehr Wichtiges informiert oder weiss, dass die Leserinnen und Leser sehr divers sind, sollte beim Schreiben zusätzlich folgende Punkte beachten:

  • «kein» und «nicht» vermeiden
    Das Wort «kein» wird oft übersehen. In diesem Fall verändert sich die Aussage zum Gegenteil und sorgt unter Umständen für folgenschwere Missverständnisse. Auch die Verneinung mit «nicht» geht in Texten gerne unter. Eine positive Formulierung ist einfacher verständlich.

Beispiel:
Verwenden Sie kein Streusalz. Sonst können wir nicht garantieren, dass der Boden keinen Schaden nimmt.
Besser:
Verzichten Sie auf Streusalz. Dies kann den Boden beschädigen.

  • nur Fragen stellen, wenn eine Antwort nötig ist
    Menschen mit Leseschwäche fällt es schwierig, den Unterschied zwischen hypothetischen oder philosophischen und ernsthaft zu beantwortenden Fragen zu verstehen. Taucht im Text eine Frage auf, glauben sie, diese auf der Stelle beantworten zu müssen. Fehlt ihnen die Antwort, geraten sie ins stocken und lesen oft nicht weiter.

Beispiel:
Als Neuzuzüger laden wir Sie zur Begrüssung in das Gemeindebüro ein. Wie entstand unsere Stadt? Wer im Gemeinderat kümmert sich um Familienanliegen? Erfahren Sie das und mehr vor Ort.
Besser:
Um Sie als neuen Einwohner zu begrüssen, laden wir Sie in das Gemeindebüro ein. Erfahren Sie, wie unsere Stadt entstand. Wer im Gemeinderat sich um Familienanliegen kümmert. Und vieles mehr.

  • Wörter aus dem Grundwortschatz brauchen
    Der Grundwortschatz setzt sich aus alltäglichen Wörtern zusammen, die am häufigsten in Texten auftauchen.
  • Wort-Konstrukte mit Bindestrich koppeln
    Macht zusammengesetzte und lange Wörter einfacher lesbar.

Beispiel:
Die Teilnahmegebühr für das Wintersportferienlager wird den Oberstufenlehrerinnen und -lehrern bezahlt.
Besser:
Die Teilnahme-Gebühr für das Wintersport-Ferienlager wird den Lehrerinnen und Lehrern der Oberstufe bezahlt.

  • auf Worttrennung verzichten
    Wörter am Ende einer Zeile zu trennen, reisst sie ungewohnt auseinander.
2 Fragen und 12 Tipps für einfach verständliche Texte

4. Wirkt einfache Sprache dumm?

Nein. Wenn du einfache Sprache so verwendest, dass deine Aussage in Texten klar verständlich ist, dann ist das klug. Und wirkt auch auf andere kompetent.

Die Leserinnen und Leser fühlen sich direkt angesprochen und verstehen deine Aussage klar und deutlich.

Stell dir vor, wie du dich in einem persönlichen Gespräch kompliziert ausdrückst und dein Gegenüber dich unverstanden anschaut. Beide von euch stehen nun irgendwie dumm herum. Wählst du hingegen eine einfache Sprache, schafft dies eine vertraute Basis auf Augenhöhe. Davon profitieren beide.

5. Welche Tools helfen?

Das «Netzwerk Leichte Sprache» hat ein umfassendes Dokument verfasst, das vertieft auf das Thema eingeht. Die ergänzenden Regeln und Tipps sehr lesenswert und lehrreich.

Das «Language Tool für Leichte Sprache» prüft Texte automatisch auf Basis von verschiedenen Kriterien, welche auf einfache Sprache zutreffen.

Der Wert des «Flesch Index» sagt aus, wie einfach lesbar der Text ist. Die Textanalyse zeigt ebenfalls, welche Wörter nicht optimal sind.

Die Tools helfen, Texte zu prüfen und sie einfacher lesbar zu gestalten. Die automatischen Analysen sind schnell und hilfreich. Allerdings eignen sich die generierten Korrekturvorschläge nicht, um sie vollständig und ohne erneut zu prüfen, anzuwenden.

Personen mit Leseschwierigkeiten vorab den Text lesen zu lassen, sorgt ebenfalls für wertvolle Rückmeldungen.

Einen Plain-Language-Kurs bietet der Sprachdienstleister Supertext an.

6. Wie verwende ich einfache Sprache im Alltag?

Sofort damit beginnen. Jedes Wort kurz hinterfragen, ob es nötig, treffend und verständlich ist. Und sich immer bewusst sein, wer die Leserinnen und Leser des Textes sind.

Die erwähnten Tools helfen besonders zu Beginn. Wer seine Texte regelmässig hinterfragt und prüft, entwickelt mit der Zeit ein immer besseres Gefühl dafür. Die Regeln und Kriterien werden alltäglich und beim Schreiben wendest du sie automatisch an.

Hello Jrene unterstützt dich mit Worten und Taten.

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Jrene Rolli

Schreibt Texte, die Menschen verstehen. Und findet das kleine Glück im Alltag. // www.hellojrene.ch